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Oder auch: Wie es für mich war, das erste Mal in einem Sterne Restaurant essen zu gehen ;)
Nachdem wir in den letzten Monaten dem ein oder anderen gehobenen Restaurant einen Besuch abgestattet hatten, wollten wir nun wissen, was Sterne Restaurants mit über 100 EUR für das Abendmenü (ohne Weinbegleitung) so drauf haben.
VAU – Deutsche Küche x 1 Michelin Stern
Unser Debüt feierten wir im VAU in Berlin Mitte – ein Sterne Restaurant, dass bereits seit fast 18 Jahren seinen Platz in Berlin hat. Letztes Jahr konnte das VAU seinen Michelin Stern verteidigen, zu Recht. Die Gerichte tragen alle die Handschrift von Kolja Kleeberg, der verantwortlich dafür ist, was im VAU serviert wird.
Lustiger Weise war der Chef des Hause am Tag unseres Besuchs vor Ort und stand auf einmal mit dunkelblauer Kochschürze im Raum. Er wirkte freundlich, aufgeschlossen und begrüßte alle, die mit uns im Raum saßen. Es heißt, dass er sich auch gerne mal mit seiner Gitarre am Abend hinsetzt und eine kleine Jam Session klar macht. So viel Glück hatten wir dann aber nicht.
Lunchen à la Carte
Der Brotkorb war das erste, was uns gebracht wurde. Das dunkle Brot war Zwiebelbrot und leicht würzig mit einen schön knusprigen Kruste. Nummer Zwei war fluffig und saftig – wie ein Kuchenstück, allerdings mit Kräutern und Salz.
Kurze Zeit später wurde uns dann der Gruß aus der Küche serviert. Da ich beim Bestellen meinte, Fisch wäre okay, nur Fleisch ginge nicht, bekam ich Hummer an Grapefruit (evtl. war es auch eine Pomelo). Für meine Hummer-Premiere – jepp, in den letzten 29 Jahren hatte noch keines diese Meerestiere den Weg in meinen Mund gefunden – hätte ich mir wohl kaum einen besseren Ort vorstellen können. Durch die Grapefruit aka. Pomelo bekam das ganze eine leichte und frische Zitrusnote. Mir hat es so gut geschmeckt, dass es sicherlich nicht der letzte Hummer in meinem Leben war.
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Die andere Variante vom Gruß aus der Küche war ein Rindfleischbällchen, dass von einer Salbeipanade umhüllt und ebenso eine kleine Offenbarung war. Da lag nicht etwa eine bessere Boulette auf dem schmalen Teller, sondern eine Art pulled-Pork-Bällchen, denn die einzelnen Fleischfasern waren noch deutlich erkennbar.
Nach einer kurzen Pause erblickten wir unsere Vorspeise. Marinierte Büsumer Krabben mit Meerrettich, Radieschen und Gartenkresse & Kardamom Panee mit Karotte und Koriander. Die eingelegten Karottenstreifen waren alleine schon ziemlich lecker, aber zusammen mit dem Panee (indischer Frischkäse) und den kleinen Heidelbeertröpfchen ein Knaller – süß, cremig, säuerlich. Die dreieckigen Cracker hatten eine dezente Schärfe, wodurch das Gericht toll abgerundet wurde.
Wir wollten mehr. Die Hauptspeise. Beide entschieden wir uns für das Dreierlei vom Butternusskürbis mit Salbei und Kürbiskernöl – und ganz ehrlich, diese Kürbiscreme war die leckerste, die wir je gegessen haben. Wir hätten uns so sehr einen Nachschlag nur mit der Kürbiscreme in einem kleinen Schälchen gewünscht, weil es sooo lecker schmeckte. Ganz cremig mit einer leichten Süße und sehr aromatisch. Wirklich toll. Auch die Ravioli mit einer Kürbisfüllung waren ein Traum. Auch unbedingt erwähnenswert sind die Salbeiblätter. Die vermutlich ganz kurz frittiert oder gebacken wurden, denn sie waren leicht kross. Das wiederum passte perfekt zu den sonst fast schon samtweichen Zutaten. Das Bittere des Radicchios rundete auch hier die Sache ab. Spätestens jetzt merkten wir, warum das VAU einen Michelin Stern ihr Eigen nennen darf.
Am liebsten hätten wir den ganzen Tag dort gesessen und stündlich etwas neues aus der Küche serviert bekommen. Nur hätte das wahrscheinlich unsere budgetären Verhältnisse gesprengt. Mehrfach.
Aber ein Dessert war noch drin ;) Delice von Valrhôna Karamell-Schokolade auf bretonische Art (lt. Kellner gaaaanz kalorienarm…) und Mangovariationen mit Crème Brûlée vom Kardamom und Limette wurde in der Küche für uns zubereitet. Die kleinen Kunstwerke waren nicht nur schön anzusehen, sondern schmeckten auch hervorragend. Auf meinem ersten Löffel vom Dessert war lediglich die Mangosoße, die mit Vanille und Kardamom angemacht war, und mich echt beeindruckte. Jetzt werden sich manche fragen, was soll daran schon so toll sein, es ist Mangosoße mit Gewürzen – ja, aber wenn die Zutaten harmonisch abgestimmt werden und eine hohe Qualität haben, ist der Geschmack auch ein anderer. Schuhe für 30 EUR laufen sich auch anders als welche für 300 EUR. Und genau solche Feinheiten unterscheidet ein Sterne Restaurant bzw. in diesem Fall das VAU in Berlin Mitte von anderen Restaurants.
Der Service kriegt Extra-Punkte
Ob das Personal wohl erkannte, dass wir bzw. ich das erste Mal in einem Sterne Restaurant waren? Keine Ahnung.. aber unsere Kellner waren locker drauf, machten Späßchen und stellten Fragen, ob wir aus der Gastrobranche kämen oder was wir wohl so machen würden ;) Später halfen sie uns sogar dabei, die Teller so zu halten, dass die Foodfotos in bestem Licht gestellt wurden. Einer meinte „Passt dann auch super für Instagram!“ Dabei vergaßen sie aber nie ihre eigentliche Aufgabe. Es ging vielmehr in einander über, Gespräch, Scherze und Teller servieren oder Wasser nachschenken schlossen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzten sich.
Abschließend: Wie ist es nun eigentlich in einem Sterne Restaurant zu essen?
Cooler als gedacht. Wir waren zum Anfang ziemlich zurückhaltend – Achtung Etikette… richtiges Besteck zum richtigen Gang wählen… wohin nur mit den Brotkrümeln auf der strahlend weißen Tischdecke… darf das iPhone auf dem Tisch liegen bleiben… wie genau soll ich das jetzt essen… Contenance… nicht zu laut sein… gerade sitzen… keine Ellenbogen auf dem Tisch… Glas richtig anfassen… solche Gedanken gingen zumindest mir anfangs durch den Kopf. Aber nach einer Weile wurden wir viel lockerer, weil auch das Personal ziemlich gut drauf ist. Es ist, zumindest im VAU, nicht hoch konservativ – man darf auch über Flüsterlautstärke sprechen und lachen und die Tischmanieren, die man zu hause so auf den Weg bekommen hat, reichen aus, um nicht rausgeschmissen zu werden ;)
Was das Essen betrifft: Es ist die Komposition der Zutaten, die alle Geschmacksnerven kitzeln… dadurch, dass süß, salzig, bitter, sauer auf einem Teller vereint sind, hat man das Gefühl, dass es perfekt ist. Man vermisst nichts. Dazu kommt die unterschiedliche Verarbeitung der Lebensmittel zu knusprigen, cremigen, weichen oder etwas bissfesteren Konsistenzen und zwar so, dass der Zustand des Lebensmittels das Aroma unterstreicht. Das Salbeiblatt war nicht knusprig, weil es sich schöner auf dem Teller drapieren lässt, sondern weil es dadurch geschmacklich weniger prominent erscheint. Diese Handwerkskunst ist wohl das, was Sterne Restaurants unterscheidet.
Nice to know
- Es gibt WLAN – fragt einfach den Service nach dem Zugangscode.
- Das VAU bietet einen Mittagstisch an, der wirklich erschwinglich ist. Vorspeise und Dessert liegen bei 15 EUR und der Hauptgang kostet 18 EUR. Am Abend zahlt ihr mehr als das Doppelte à la Carte und das Menü liegt bei 130 EUR ;)
- Auch hier solltet ihr lieber reservieren, zur Mittagszeit habt ihr vielleicht auch so mal Glück einen Platz zu ergattern, aber Abends wird es dann schon schwierig.
- Ihr solltet euch schon etwas schicker machen und die kaputten Jeans und die ausgelatschten Sneaker zu hause lassen, aber ein Kostümchen oder der allerfeinste Zwirn ist wiederum auch nicht erforderlich.
Fazit
Das VAU in Berlin Mitte hat es geschafft, dass uns ein 60-EUR-Lunch nicht im entferntesten Leid tut und wir es keine Sekunde bereuten – im Gegenteil, wir würden es immer wieder ausgeben und das könnt ihr auch ;)
Eine Übersicht mit allen Sterne-Restaurants in Berlin findet ihr hier.
Kleines Update: Das Restaurant VAU mag uns und wir sie :)