Die Sonnenallee gehört unumstritten zu den buntesten Straßen der Stadt – in jeder Hinsicht. Lebendig und belebt, dreckig und laut, rund um die Uhr. Den günstigsten Kebap Berlins bekommt man sicherlich hier. Gleichzeitig sprießen zahlreiche Cafés und Restaurants aus dem Boden, die sich dem Rausch der Gentrifizierung bedienen und sich mit einem besonderen Konzept versuchen von der Masse abzuheben. Alles ist neu, aber nicht unbekannt. Alles? Das ZIP befindet sich in der Pannierstraße, einer Querstraße der Sonnenallee, nicht weit entfernt vom Hermannplatz. Auf den ersten Blick sieht es aus, wie ein Café unter vielen. Hineingehen lohnt sich – die Erfahrung ist eine komplett Neue. Und das liegt nicht an der besonders guten Reis- oder Hafermilch.
ZIP Berlin – Das sind kleine Kombinationen aus hausgemachten Kreationen
Marieke empfängt uns sehr freundlich, die Atmosphäre ist schon beim Betreten des Cafés besonders. Das Licht ist gedimmt und es ist dunkel, trotz unzähliger Lichtquellen. Die Musik ist entspannt, aber experimentell, die Einrichtung schlicht. Wir stehen vor einer offenen Küchenzeile, die gleichzeitig als Bar fungiert und von außen gefliest ist. In einer großen Vitrine stehen Einmachgläser, an der Wand hängt eine riesige Schiefertafel, die als Getränkekarte genutzt wird.
Das Café hat einen coolen Grundriss. Der vordere Teil ist ein kleiner Raum – über einen langen Flur gelangt man in den hinteren Teil, der mit Sesseln ausgestattet ist und einem Wohnzimmer gleicht. Dating-Atmosphäre trifft auf Workspace. Jeder findet seinen Platz.
Kreativ Konservieren: Geschmacksexplosionen im Glas in der Pannierstraße 57
Marieke bringt uns die Karte, deren Design ebenfalls auffallend ist. „Wir servieren alles im Glas, ich bringe euch gleich eine Auswahl.“ Während wir die Karte studieren, verstehen wir das Konzept. ZIP kommt von zippen. Von konservieren. Von haltbar machen. In der Karte finden wir kaum komplette Gerichte. Vor allem das Frühstücksangebot, auf welches sich das Cafe spezialisiert hat, ist alternativ. Zwischen herzhaften und süßen hausgemachten Aufstrichen, Konfitüren und Cremes kann gewählt werden. Das Set für eine Person (Brotkorb Plus drei Aufstriche) kostet 5,90€. Das fast doppelt so große Set für zwei Personen knapp 10€. Entscheidungsunfreudige und Experimentierlustige können sich ihr Frühstück eigenhändig zusammenstellen.
Wir probieren uns durch Süßes und Herzhaftes aus dem Glas
Uns wird sowohl ein süßes, als auch ein herzhaftes Set serviert. Erst am Tisch werden die Einmachgläser aufgeschraubt. Das dumpfe Ploppen erinnert an Omas selbstgemachte Marmelade. In den herzhaften Gläsern befinden sich die hausgemachte Meersalzbutter, ein Orangen-Hummus Aufstrich, Schafskäse-Ratatouille und eine Macadamia-Cranberry-Creme. Das Brot ist glutenfrei, der Brotkorb überschaubar.
Das Prinzip der kleinen Kombis ist spitze. Anders wäre es unmöglich, so viele verschiedene Geschmäcker zu vereinen. Ich empfehle besonders den Orangen-Hummus, der so schmeckt, wie frischgepresster Orangensaft riecht, und die Macadamia-Cranberry-Creme, deren Mischung aus süß und salzig, weich und bissfest, einmalig ist.
Auch die süßen Aufstriche überraschen mich. Eine Aprikosen-Konfitüre mit Riesling, eine Apfel-Feigen- und eine Kartoffel-Birnen-Konfitüre sind die aktuellen Kreationen der Küche. Dazu gibt es Schmand als Basis. Der neutrale, cremige Geschmack unterstreicht die Intensität der Konfitüren. Alles schmeckt so anders und neu, dass es schwerfällt, aufzuhören zu essen. Auch der vegane Milchreis mit Kardamon, Zimt und Granatapfelkernen ist lecker, mir allerdings zu zimtlastig.
Ente im Einmachglas und Kastanienschorle
Nach unserer Frühstücks-Vorspeise, die man auch ganz wunderbar am Abend essen kann, sind wir schon angenehm gesättigt. Ich bin immer noch überrascht, wie erfrischend anders alles ist. Marieke erzählt uns, dass der Koch um 15:00 Uhr Feierabend hat und warme Speisen, Rührei und Pancakes, auch nur solange angeboten werden.
Als Hauptspeise wird uns keine der Tagessuppen oder ein Salat serviert, sondern drei Einmachgläser auf einer Schiefertafel. Lachsfielt, Brandenburger Landschwein und geräucherte Entenbrust im Einmachglas.
Oma wäre begeistert. Die Optik ist ansprechend und edel. Essen wird hier zu einem Erlebnis und auch der Geschmack überzeugt. Besonders gut schmeckt uns die Ente auf Rotkohl Cole-Slaw mit Cranberry Vinaigrette und Pekannüssen. Vielleicht liegt es daran, dass alle Gerichte kalt, weil konserviert gegessen werden – der Geschmack ist neuartig und sehr frisch.
Dazu trinken wir eine Kastanienschorle mit Gurke. Auch wenn das Glas für 3,80€ nicht günstig ist, empfehle ich jedem, diese Kreation zu probieren. Der Geschmack ist merkwürdig und faszinierend gleichermaßen, erinnert an Maronen und Ingwer, ist trotzdem undefinierbar. Ein bisschen wie Moscow Mule ohne Alkohol.
Experimenteller Kuchen eröffnet neue Geschmacksphären
Obwohl auch die Getränkekarte überschaubar ist, sind alle Geschmäcker und Vorlieben abgedeckt. Eine große Siebträgermaschine steht neben einer Bierzapfanlage. Es gibt außerdem Tee, Wein, Saftschorlen und Longdrinks. Je länger man sich umsieht, umso mehr Kleinigkeiten entdeckt man. Im hinteren Teil steht ein alter Lampenschirm. Leere Bilderrahmen hängen an der roten Wand, die von herunterhängenden Stehlampen beleuchtet wird.
Auf den Toiletten stehen australische Surf-Gemälde. Überbleibsel der Melbourne-Cantine. Auf den Tischen stehen Disteln in Glasvasen. Eine Originalität, die sich dem industriellen Charme zwar bedient, aber gleichzeitig davon abhebt. Die Atmosphäre ist wirklich gemütlich und lädt zum Verweilen ein.
Zum Abschluss dürfen wir die Süßspeisen probieren
In Gläsern wird uns ein Rüblikuchen-Style, ein Cheesecake aus Dinkelcrunch mit Heidelbeerragout und Minze und ein Schoko-Lakritz-Brownie an Salzkaramell serviert. Mit 4,90€ finde ich die Kuchen teuer, umso gespannter bin ich auf den Geschmack. Die Konsistenz ist weich und die Kuchen, die an geschichtete Cremes erinnern, übertreffen alles!
Wir haben das Gefühl, ganz neue Geschmäcker kennenzulernen. Es ist inspirierend und so lecker, dass es kaum zu beschreiben möglich ist. Mit seinen Süßspeisenkreationen schafft es das ZIP, neue Geschmäcker zu entwickeln und ich frage mich immer noch, wann ich das letzte Mal etwas zum ersten Mal geschmeckt habe. Der Preis sollte nicht abschrecken, die Kuchen sind es wert!
Fazit zum ZIP Berlin
Ich möchte das ZIP wärmstens weiterempfehlen. Das Konzept des kreativen Konservierens ist großartig und dient nicht nur der Nachhaltigkeit, sondern auch dem Erlebnis Essen. Das ganze Ambiente ist einladend und gemütlich und eignet sich sowohl zum gemütlichen Frühstücken, Kaffee trinken und Quatschen, als auch zum Arbeiten oder Abschalten. Ganz billig ist es nicht, ich finde die Preise aber angemessen. Für ein Essen hier sollte man sich Zeit nehmen, weil es wirklich inspirierend sein kann, wenn man sich auf etwas Neues einlässt. Geöffnet hat das ZIP jeden Tag von 10 bis 21 Uhr. Sämtliche Speisen im Glas werden auch To-Go angeboten.
Adresse und Öffnungszeiten vom ZIP Berlin:
ZIP Berlin
Pannierstraße 57
12047 Berlin
MO-SO: 10.00 – 21.00 Uhr