Autor-Archive: Antonia Kennel

Zenkichi – Japanisches Fine Dining

Lieber H.! Ich hatte dir mein Herz geschenkt. Aber du wolltest es nicht. Und nun sitze ich und kann nicht schlafen, und schreibe stattdessen über den Ort, an den ich dich so gern mitgenommen hätte. Zenkichi. Ich kenne es noch nicht sehr lange, war erst einmal dort, doch es hat mich verzaubert. 

Ich würde dich an die Hand nehmen, und gemeinsam beträten wir eine Art unterirdisches Labyrinth. Das Licht ist gedämpft, schummrig. In Japan möchte man sich ganz auf seinen Gast konzentrieren. Daher sind die Tische nicht einfach Sitzgelegenheiten, sondern nischenartige Rückzugsorte, privaten Inseln gleich, auf denen man sich zum gemeinsamen Essen niederlassen kann. Zarte Bambusrollos und luftige Zwischenwände in japanischem Stil schaffen diskreten Abstand zwischen uns und den anderen Gästen. 

Wir bleiben für uns. Ein Kellner kümmert sich den ganzen Abend nur um uns. Er stellt sicher, dass wir ganz für uns sein können. Er schlägt ein Menü vor und empfiehlt den auf die einzelnen Gänge abgestimmten Sake. Vor dem ersten Gang reicht er jedem von uns ein feucht-warmes Tuch, zur Reinigung unserer Hände. 

Ein Menü im Zenkichi ist mehr eine kulinarische Sinnesreise

Sake Häppchen zur Vorspeise: Tomaten Mitsuni (da sind kleine geköchelte Tomaten mit Geleé von Sudachi-Zitronensaft), Uzaku Süßwasseraal (er kommt mit Myoga-Ingwer und Gurke, eigelegt in süßer Soja-Essigsauce), Garnelen Nanban (kleine schwarze Tigergarnele, scharf frittiert,und Gemüse, beides in süß-scharfem Essig mariniert).  

Dir würde sicher der Jazz auffallen, der leise im Hintergrund spielt. Jazz hat eine große Tradition in Japan, wusstest du das? Ich nicht. Der Chef, Shaul, hat es mir erklärt. Er hat mir auch ein bisschen von seinem Leben zwischen New York, Berlin und Tokyo erzählt, und dass er vor vielen Jahren seinem Geburtsland Israel den Rücken kehrte, weil er es dort nicht mehr aushielt. Und schließlich hielt er es auch in seiner Wahlheimat Amerika nicht mehr aus. Nicht ertragen konnte er die Richtung, in die das Land sich entwickelt. 

Der nächste Gang: Seidentofu mit Arima-Sansho-Pfeffer und Shishito-Miso. 

Shaul ist geradlinig und warm. Er geht sehr wertschätzend und freundlich mit seinem Personal um. Seine Frau ist Japanerin, sie haben zwei Kinder. Insgesamt gehören Shaul fünf Restaurants in Japan, Berlin und New York.

7 Gänge, 5 verschiedene Sake

Hotate-Tartar mit Jakobsmuscheln aus Hokkaido und Shisho-Blättern, als Tempura serviert (nein – nicht derartiges Tempura. Dieses ist leicht wie eine Feder.) Sake ist ein Geschenk ans Gegenüber. Er wird o-shaku genossen: man gießt seinem Gast ein, aber vermeidet, sich selbst das Glas zu füllen.

Gegrillter Saikyo Kabeljau in hauseigener Miso-Marinade nach Kyoto-Art. Entrecote Shabu Shabu in cremiger Miso-Sauce, die mit Sojamilch aus der Präfektur Mie zubereitet wurde. Makrele auf Ingwer-Sesam-Essig-Reis, gemeinsam serviert mit traditioneller Miso-Suppe. 

Ich möchte mein Dessert mit dir teilen, es ist so gut! Sesameis, ganz kalt und pur, kein Kompromiss. Draufeinlassen. Der Walnut Chocolat Pudding ist fester als eine Mousse, aber viel feiner, weit entfernt von „Pudding“. Nicht zu süß, nicht fett, hochwertige Schokolade. 

Sieben Gänge, begleitet von fünf verschiedenen Sake-Varianten. Plötzlich sind die Verhältnisse umgekehrt: es ist nicht der Gast, der das Menü bestimmt. Die Rollen werden gewechselt, das Menü hat die Oberhand, bietet dir Einblick in eine bisher unbekannte Welt von Aromen, Konsistenzen, Kombinationen. Es bietet Ecken und Kanten, lässt aufhorchen, stutzen, innehalten. Nicht Nahrungsaufnahme, sondern bewusster, vielschichtiger Genuss. 

Ich hätte dir das alles wirklich gern gezeigt, H. 

GOOD TO KNOW
Atmosphäre | Stilvoll japanisch, privat und ungestörte Sitzbereiche, zurückhaltendes Licht
Preisniveau | Menü ab 55 EUR p.P., á la Carte etwa 10-29 EUR pro Hauptgericht
Besonderheiten | Das Ambiente als solches ist schon einzigartig, eigener Kellner, größtes Angebot an Junmai Sake in Deutschland

KONTAKT
Haltestelle | U Oranienburger Tor
Öffnungszeiten | Mo-Sa: 18.00-24.00 Uhr So: 17.30-23.30 Uhr
Online | Website | Instagram

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Fotos: Nadja von Prümmer

Das VOLK in Mitte – Austern, Seafood & französische Bistroküche

Nimm dir Zeit und ein gutes Buch und geh ins VOLK, direkt gegenüber vom Weinbergspark. Ignoriere den Lärm der Brunnenstraße. Nimm den Platz am Fenster, oder, an lauen Sommerabenden, setze dich draußen an einen der wenigen Tische.

Unbedingt im VOLK probieren: Austern

Oliver wird dich willkommen heißen und dir das Menu zeigen. Bestelle einen Wein, zu deinem Gericht wird Weißwein passen, versuche den Pouilly-Fuissé Art Minéral aus der Bourgogne. Auch wenn du keine Austern magst, oder sie noch nie versucht hast, bestelle auf jeden Fall zwei Austern zu Beginn. Margaux wird dir ihre Herkunft erklären, und was sie auszeichnet.

Marennes Oléron z.B. schmeckt intensiver, kommt von einer kleinen Farm, Familienbetrieb. Die deutlich größere vom „OysterKlub“ kommt von der La Rochelle zugewandten Seite der Ile d´Oléron, festeres Fleisch, weniger „Meer“. Du nimmst etwas Essig mit feinen Zwiebelchen dazu, die Säure ist genau, was es braucht. Während Margaux deinen ersten Gang – Parmesansuppe – ja, Margaux kocht im VOLK alles ganz allein – zubereitet, schau dir die Leute an, die vorbeigehen. Häng deinen Gedanken nach, vielleicht war der Tag lang oder die Woche. Der Geschmack der Austern, die Muschelschalen erinnern dich an – Meer?

Die Suppe ist fein, ausgewogen, besonders. Nicht, was du erwartet hast. Weniges zartes Gemüse, ganz leicht. Pfeffer. Gut! Vielleicht ein Rezept von Margauxs Mutter, der Chefin im Les petites Sorcières in Paris? Du findest ein Schwarzweißfoto von ihr und der kleinen Margaux im Regal zwischen den Weinflaschen.

Nicht nur Austern – Das VOLK in Mitte ist ein kleines Seafood-Paradies

Hoffentlich hast du auch die Langustinen bestellt, mit ihrem „jungfräulichen Dressing“. Zugegeben, sie werden deinen Appetit eher noch befeuern, ihr Fleisch füllt kaum drei Gabeln. Aber der Geschmack ist wieder ganz besonders, er passt zum Abend und sollte nicht fehlen. Iss dich nicht satt am Brot.

Oliver schenkt dir nach, ein guter Moment, um das Gespräch zu suchen und ein wenig zu plaudern. Was war hier vorher drin? An Austrian restaurant? Haha. And you´re from…oh, NY – how do you know Margaux? A Techno Party? Interesting… Frag Oliver nach seinem Alter Ego (The horrorist).

Nun musst du dich ganz auf den nächsten Gang konzentrieren, er wird dir munden – Shrimp á la Florentine, ein willkommenes Arrangement aus auf den Punkt gebrachten Garnelen auf Blattspinat und pochierten Tomaten. Das Beste ist der Weißweinsud, wieder Zwiebelchen, du möchtest den Teller erneut befüllen lassen, mehr von diesem Sud, bitte, und noch mehr Wein…. Margaux lächelt wissend, reicht dir Polenta, die auch nicht so schmeckt, wie du es kennst, sondern angenehm rösch, fein angebraten, nach – Butter? Lass dir Zeit, den Geschmack zu entdecken.

Zum Ende ein Teller mit Rhum Baba hin. Nie gehört, nie gesehen, probier mal – sehr süß, ungewöhnlich, was ist das? Auf jeden Fall viel Rum. Auf jeden Fall anders.

Ein ungewöhnlicher Abend im VOLK. Und das in Mitte?? Scheint so.
Vergiss dein Buch nicht.

PS: das in der Polenta – das war Trüffelöl.

Wäre diese Bar ein Soundtrack

The Cure – The Funeral Party
Zaz – Tous les cris les SOS
Brahms – Symphonie No.4 in E minor, Op.98: 2.Andante moderato
Craig Armstrong – Let´s go out tonight
Jean Leloup – 1990
Celine Dion – Pour que tu m´aimes encore
Duran Duran – The chauffer – 2009 Remastered
Beethoven – Symphony No.5 in C minor Op.67: 1.Allegro con brio
Moderat – A new error
White Lies – Tokyo

GOOD TO KNOW
Atmosphäre
| Moderne Einrichtung, ein Hauch Frankreich, Holzmöbel, Außenplätze vorhanden
Preisniveau | Austern ab 2,50 EUR, Seafoodgerichte ab 8,50 EUR, Lunchmenü
Besonderheiten | Austern, jede Menge Austern & Seafood

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Haltestelle | U Rosenthaler Platz
Öffnungszeiten | Di-Sa: 12.00-23.30 Uhr
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Fotos: Nadja von Prümmer

Kreuzberger Himmel – Spezialitäten aus Syrien

Der Kreuzberger Himmel ist voll. Der volle Himmel hat eine Hausnummer und liegt an der Yorckstraße direkt neben St. Bonifatius. Er hängt voller Geigen, jeder Tisch ist besetzt. Neu eintreffende Gäste schauen sich ratlos um, ein großer schlanker Mann mit Brille und schal ruft: „Nicht wegschicken! Wir werden es möglich machen.“ Neulich gab es im Hinterhof Catering für den Erzbischof.

Der Kreuzberger Himmel ist mehr als nur ein Restaurant

Wir werden es möglich machen. Diesen Satz lebt Andreas Tölke, der Himmelsvorstand. Andreas ist Mitglied bei Be an Angel e.V.. Dort finden Menschen wie Dia, Jawed, Jamshid und Yazan, die aus ihrer Heimat hierher geflüchtet sind, Unterstützung, sachlich wie menschlich. Das Kernteam um Andreas bilden derzeit fünf Festangestellte, es gibt vier Azubis und sechs schulbegleitende Praktikanten. Im Kreuzberger Himmel zu arbeiten, bedeutet Ausbildungsplatz, bedeutet Arbeit, bedeutet Sicherheit.

Man könnte viele Worte über das besondere Ambiente des Lokals verlieren, könnte zum Beispiel die Kirchenbänke erwähnen, auf denen Gäste sitzen, oder die auffallend modernen Deckenleuchten und fein ausgewählten Fotografien ringsum (eine temporäre Ausstellung, ein Teil des Konzepts). Durchaus erwähnenswert wäre Herr Müller, die französische Bulldogge, der sich mal hier, mal da unter einem Tisch niederlässt und den gesamten Abend über liebevoll einen blauen Luftballon in der Schnauze trägt. Man könnte betonen, wie schlicht und schön und kontrastreich und harmonisch alles wirkt, und wie man sich nach einiger Zeit unweigerlich ein kleines bisschen besonders zu fühlen beginnt.

Syrische Küche – Wir testen uns durch neue Gerichte

Aber das wollen wir jetzt nicht, uns geht es ums Essen, nur dafür sind wir hier. In der Küche herrscht Othman, der in seiner Heimatstadt Damaskus 32 Angestellte unter sich hatte. Was erwartet uns? Syrische Küche = Hummus und….? Wir wissen so wenig. Man weiß so wenig. Andreas erzählt: „Die syrische Küche ist nicht exotisch, sie ist fein. Wir bieten levantinische Küche, das bedeutet Einflüsse aus Israel, dem Libanon, Saudi-Arabien. Granatapfel und Aubergine bilden den roten Faden. Was glaubt ihr, die kommen hier an, und überall gibt es: Kartoffeln! Othman ist kein Koch. Er ist Eiskunstläufer, Künstler, Dirigent.“

Das Stück beginnt…

DER GRANATAPFEL KÜSST DIE AUBERGINE

Regisseur: Othman. In den Hauptrollen: Der Reis, die syrische Kartoffel, paart sich mit Loomi (sprich: Lumi), der „schwarzen Zitrone“, die mit ihrer säuerlichen Frische unverkennbare Akzente setzt.

Hummus, oft als gewöhnliche Nebenrolle abgestempelt, ist hier im Kreuzberger Himmel besonders cremig und tut sich dadurch aus den gemischten Vorspeisen hervor. Wenngleich, seine Nebenbuhler stehen ihm in nichts nach – M ́Tabal befriedigt das Verlangen nach Aubergine, Tahinsauce und Zitrone, Baba Ganoush überrascht mit Granatapfel. Die grünen Bohnen mit Koriander, Tomate und scharfem Paprika heißen Fasuela und schmecken so melodisch wie ihr Name klingt.

Auftritt Frikeh: dem deutschen Gaumen eher unbekannt, lernen wir unreif geernteten, angerösteten Weizen kennen. Er verbrüdert sich mit abgebrühtem Lammgeschnetzelten, welches einst mitsamt Lorbeer, Zwiebeln und Kardamom gekocht und mit Cashews und Mandeln gegrillt wurde. Schon während seines Auftritts fragt man sich, ob es hoffentlich noch mehr von seiner Sorte gibt.

Im Hauptakt ein Dreikampf

Sheik al Meshi, das „Gericht der Könige“, zeigt sich in Form mit Lammhack gefüllter Zucchini, großzügig bestreut mit Pinienkernen. Seine Geheimwaffe ist ganz klar die ungewöhnliche Joghurtsauce, in die es sich bettet.

Das Heer der Artischoki kommt schwer beladen mit Paprika, Zwiebeln, Champignons und Tomaten, kein gänzlich neuer Geschmack, wobei die Üppigkeit der Artischockenböden der Figur Substanz verleiht.

Nun betritt Sajade die Bühne. Das gebackene Fischfilet, sauer und scharf gewürzt, verhält sich weitgehend unauffällig, jedoch – sein Begleiter! Der Reis! Wie macht er das?! – duftet verheißungsvoll, nach Zimt, nach Kardamom, nach 1001 Nacht – und schmeckt: wieder anders…

An diesem Punkt muss das Orchester angesprochen werden, ohne welches das Stück nur halb so seelenvoll wäre. Das Allerschönste am Orchester ist, dass es mit seiner Musik die ur-deutsche mit der levantinischen Seele versöhnt: libanesischer Wein und Andechser Klosterbräu im Duett vereint. Dies ist nicht nur möglich, es ist herrlich.

Eine kleine Hörprobe:

Chateau Ksara (Libanon, Blanc de Blanc 2016)
Clos St.Alphonse 2014 (Libanon, Chateau Ksara, Bekaa-Ebene)
Cuvée de Printemps 2016 (Libanon, Chateau Ksara, Bekaa-Ebene)
Clos de Cana, Pinot Noir 2009 (Ras el Harf, Libanon)

Etwas Süßes zum Schluss

Im finalen Teil geht es nur noch um Vereinigung, um Milde, um den Schmelz auf unseren Seelen. Wir werden gebeten, einzutauchen in die Arme der Madlouka, die uns mit Rosenwasser und Pistazien willkommen heißt. Auch Harisa macht glücklich, mit ihrer schweren süßen Creme auf einem feinen Bett aus Nuss, das von gewöhnlichem Marzipan so wunderbar weit entfernt ist wie Damaskus von der Yorckstraße… Es fällt der Vorhang mit arabischem Mocca und, selbstredend, Kardamom.

Fazit zum Kreuzberger Himmel

Wie herrlich der Wein schmeckt, wie anregend das Zitronenaroma, und wie süß die Creme auf der Harisa. Ach komm, noch ein Bier… Fast könnte man vergessen, dass hier vier verschiedene Religionen nebeneinander arbeiten, das hier Menschen versuchen, fernab der Heimat Fuß zu fassen. Dass diese Menschen oft unfreiwillig und unter horrenden Bedingungen geflüchtet sind, Familien und Freunde zurücklassen mussten. Sich hier den deutschen Gepflogenheiten, dem deutschen Wetter, der deutschen Bürokratie (den deutschen Kartoffeln..) anpassen, wenn nicht gar unterwerfen müssen. Andreas und die Menschen bei Be an Angel e.V. Geben nicht nur Rat beim Asylantrag, sie geben 1:1 Menschlichkeit. Doppelter Boden. Und, ist es okay, dass man all das vergisst? Vielleicht. Ein bisschen, nur für heute Abend. Man schiebe es auf den guten Wein.

Anm.d.Red.: Unbedingt reservieren!

Das Team vom Kreuzberger Himmel ist darüber hinaus für den Publikumspreis beim Social Impact Award nominiert. Wer sie unterstützen möchte, kann hier abstimmen.

COPYRIGHT Fotos: © Nils Hasenau

Harapeco – Die Okonomiyaki & Sake Bar

Okonomiyaki (jap. お好み焼き) kommt zwar aus dem Land der aufgehenden Sonne, sieht aber bei Weitem nicht so aus. Vielmehr fragt man sich, was um alles in der Welt den stilvollen Japaner dazu bewogen haben könnte, eine derart unübersichtliche, wahllos anmutende Ansammlung von Zutaten zu einem seiner urtümlichsten Gerichte zu erheben. Das einzig Anmutende scheinen die Katsuobushi [1] zu sein, die obligatorisch jedes Okonomiyaki sachte wehend bedecken.

Lasst uns diesem Phänomen auf den Grund gehen!

Großartige Sache – das Harapeco in der Neuen Bahnhofstraße in Friedrichshain hat sich auf Okonomiyaki spezialisiert und empfängt uns mit glühendem Grill.

Was sind überhaupt Okonomiyaki?

Okonomi bedeutet „Geschmack“, „Belieben“ im Sinne von „was du willst“.

yaki bedeutet „gebraten“ oder „gegrillt“.

Der Tradition nach brät man das [2] Okonomiyaki direkt am Tisch auf einem japanischen Teppan (einer heißen Eisenplatte). Mittels eines Spatels formt man aus den Grundzutaten Wasser, Kohl, Mehl, Ei und Dashi (japanischer Fischsud) eine Art Fladen, den man um beliebig viele weitere Ingredienzien ergänzt: Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, verschiedene Gemüse, Käse [3]. Wichtig, viel hilft hier viel: Saucen! Okonomiyaki-Sauce, Miso-Sauce, japanische Mayonnaise…das Okonomiyaki darf getränkt werden.

„You always eat it together. It´s a dish you never make just for yourself.“,

erklärt uns die nette Bedienung, während wir uns durch die Karte fräsen. Hah, denn einfach so bestellen is nich – es gilt, zwischen verschiedenen Basis-Varianten zu entscheiden, um dann passende Saucen und Toppings zu auszuwählen.

Uns lachen das Sapporo (Garnele, Tintenfisch, Muschel) sowie das Tokyo Modern (echt jetzt! – mit Osaka, Sapporo und Nudeln) am meisten an. Sauce: Okonomiyaki bzw. „Scharf“. Toppings: Lauchzwiebeln bzw. Spiegelei [4]. Dazu bestellen wir Kimchi, Wakame-Salat und Kinpira Gobo (gebratene Schwarzwurzeln, Sesam und Möhren). Außerdem wollen wir das Japanese Spicy Curry probieren, das neuerdings auf der Karte steht.

Mittlerweile riechen wir selbst schon ziemlich appetitlich, denn im Harapeco kann man vom Raum mit den Tischen über die Theke hinweg direkt in die Küche lugen. Dort braten die ausschließlich japanischen Köche unsere Fladen auf den heißen, gefetteten Teppanyaki Platten, dass Duft und Dampf uns gänzlich einhüllen.

Yuzu & Sake

Von Yuzu [5]-Tee-Schorle und Yuzu-Bier nippend, lassen wir uns über die Herkunft des Okonomiyakis (Spezialität der Kansai-Region, insbesondere Ōsaka und Hiroshima), regionale Besonderheiten (in Tokyo gibt es eine ganz ähnliche Speise namens Monjayaki) und Sake (das Harapeco bietet eine große Auswahl verschiedener Sake, die alle in wunderschönen Flaschen kommen, manch einer von ihnen sogar geheimnisvoll rauchig-trüb, wenn er dann ins Glas gegossen wird) belehren.

Wie haben die Okonomiyakis geschmeckt?

Das Essen kommt: faszinierend! Die Okonomiyakis wirken eigentümlicher Weise wie kleine Stücke Garten: grüne Lauchzwiebelhäufchen, rötlicher Rettich, dazu das Gelbe vom Spiegelei, weiße Mayonnaise-Straßen, grüne Kräuter wie feingetrimmter Rasen….es ist so hübsch! Die Beilagen werden zuerst probiert und einhellig als lecker, auf den Punkt und, was das Kinpira Gobo angeht, als spannend und neu befunden.

In Sachen Curry sind wir uns ebenfalls einig und bedauern das unbefriedigende Verhältnis von Reis: Curry 3:1.

Sapporo liegt ganz klar vor Tokyo Modern und ist ohne Frage eine Empfehlung wert. Nicht nochmal bestellen würden wir den Nachtisch in Form Matcha-Eis und Matcha Snowball: ersteres ist ein wenig belanglos und trübt die exotische Erfahrung von Sapporo und Yuzu-Schorle. Letzteres ist schlichtweg nicht lecker.

Fazit zum Harapeco

Fazit des Abends ist, dass wir wiederkommen würden, um ein leckeres Sapporo- Okonomiyaki zu bestellen. Gefallen hat uns außerdem das Ambiente, die Originalität des Restaurants [6] und der nette Service. Nicht so gefallen haben uns die Desserts sowie die auf Portionsgröße umgerechneten doch recht happigen Preise.


Adresse und Öffnungszeiten vom Harapeco:

Harapeco Okonomiyaki & Sake Bar
Neue Bahnhofstraße 3
10245 Berlin

Di – So: 12.00 – 22.30 Uhr

// Fotos: Nadja von Prümmer


[1] Auch bekannt als Bonitoflocken: feine Fischflocken, essentiell für die japanische Küche
[2] Tatsache – Okonomiyaki kann dekliniert werden: das Okonomiyaki, des Okonomiyakis, dem Okonomiyaki….
[3] Tatsache Nr. zwei: in Japan gibt es eine große Käsetradition! Vor allem im Norden! Von wegen, vertragen keine Milchprodukte…
[4] Nur Mut!
[5] Satsuma-artige Zitrusfrucht, die in Honig eingelegt und mit Wasser aufgegossen als Yuzu-Tee getrunken wird.
[6] Der Besitzer des Harapeco wohnt selbst lieber in Japan. Er wollte aber unbedingt ein Okonomiyaki-Restaurant „in the center of Europe“ etablieren – seiner Meinung nach ist Berlin dieses Zentrum, und somit suchte er nach einem geeigneten Koch, machte ihn zu seinem Geschäftsführer und ließ ihn im Juni 2016 das Harapeco eröffnen.

 

Restaurantschiff Gode Wind

„Backen & Banken“

Hei! Holt die hollandsche nieder
Und hisst die Flagge rot – rot – rot!
Und singt recht schweinische Lieder.
Vielleicht ist einer von uns morgen tot.
Denn sie haben eine Kanone an Bord.
Und ein halbes Dutzend Soldaten Und ein halbes Dutzend Soldaten
Mit Blei und mit Dünnschiss geladen.
Wir aber sind kühne Piraten
Und fürchten nicht Tod noch Mord.
Wir sind weder fromm – aber frei.

Was mag in dem Schiffe wohl sonst noch sein?
Kakerlaken oder Seife oder Gold oder Wein?

Wäre Joachim Ringelnatz mit uns zur Gode Wind gekommen, die seit August diesen Jahres in der Rummelsburger Bucht vor Anker liegt, er hätte durchaus einen recht guten Eindruck davon gewinnen können, von den Dingen, die da an Bord auf einen warten. Kakerlaken waren es nicht, soviel vorweg.

Im Sommer Restaurant, im Winter Eventlocation

Wie und warum ein 50 Tonnen schweres Piratenschiff von Litauen via Ostsee nach Berlin kommt, aus welcher regionalen Aquakultur die gereichten Fischspezialitäten stammen, und wie viele Buddeln Rum im Bauch des Schiffes tatsächlich lagern – für derlei Fragen stehen gerne Toni Kaiser und Nick Schulze, die Geschäfts- bzw. Restaurantführer der Gode Wind, Rede und Antwort. Und dass sie ihr Projekt wirklich mit Herzblut betreiben, versteht man spätestens dann, wenn man von den jahrelangen Wartezeiten und Unwegsamkeiten á la „Auflagen der Stadt Berlin“ erfährt.

Von April bis Oktober als Restaurant, ansonsten auch als Eventschiff für Geburtstage, Hochzeiten, Firmenfeiern oder Sommerfeste, ist die „Hauptstadtkogge“ eine gute Möglichkeit, ein wenig Abstand zur Stadt und ihrem Trubel zu bekommen. Oben an Deck, auf rustikalen, doch sehr bequemen, massiven Holzstühlen sitzend, genießt man einen herrlichen Blick aufs Wasser und die umliegende Rummelsburger Bucht.

Unter Deck erwartet einen rustikale Gemütlichkeit, zum Glück ohne dass man von allzu viel Fischerei-Deko erschlagen wird. Zudem kann die Atmosphäre durch fein eingedeckte Tische ohne weiteres ins Festliche verwandelt werden. Die Küche orientiert sich an Region und Saison. Sous Chef Henning Zappe erzählt uns begeistert über Zusammenstellung und kreativen Findungsprozess verschiedener Gerichte. Fest steht, dass man als Fischliebhaber durchaus auf seine Kosten kommt, wenn man hier speist.

Nun sind wir hungrig… Wagen wir doch einen Blick aufs Menü

An einem der besagten sehr hübsch eingedeckten Tische wird uns zunächst Tintenfischsalat mit Sesam und Apfel, Roter Beete und Ingwerwasser sowie Miesmuscheln im Weißweinsud mit Gemüse gereicht. Während der Salat wirklich ausgeklügelt und mit essbarem Blütendekor hübsch anzusehen ist, empfinden wir das Gemüse an den Muscheln etwas zu viel und zu bissfest.

Als nächstes folgt ein als Kürbiscappuccino deklarierter Zwischengang: cremige Kürbissuppe, Espuma aus Sauerrahm, getoppt mit Pumpernickelkrokant. So besonders ist das Dreierlei, erreicht durch die zwar sehr unterschiedlichen Konsistenzen und Geschmäcker, die sich jedoch hervorragend ergänzten, dass wir diesen Gang durchaus gerne ein paarmal wiederholt hätten.

An dieser Stelle soll auch der patente Service erwähnt werden, der uns freundlich-bestimmt auf die passenden Getränke hinweist (sehr toll, aber leider nur ein „Überbleibsel“ der Berlin Food Week im Oktober: selbstgemachter Kombucha).

Seeräuber und Kameraden,
Wenn meine Augen richtig sind
Hat die Bark voraus auch Fässer geladen. –
Auf, ihr Hurenboys! An die Brassen!
Royal hoch! Alle Lappen noch härter an den Wind.
Denn die Hunde wittern Blut.
Denn sie segeln gut,
Das muss der Teufel ihnen lassen.

Von Nachbarstischen und flüssigen Schokolodenkernen

Doch weiter zum Hauptgang, dem von Nick Schulze sehr empfohlenem Hauptstadtbarsch, kombiniert mit Safrangraupen und Orangenfenchel. Während der Barsch recht barsch unzählige Gräten präsentiert, schmeißt sich der äußerst delikate Fenchel als Gegengewicht ins Spiel und macht Punkte. Auch die Gerichte am Nebentisch – Recherchen ergaben: gebratene Scholle und isländischer Lachs mit Blumenkohl-Püree und Riesling-Sauce – machen neugierig.

Wir verpassen den geeigneten Zeitpunkt, unsere Nachbarn nach einem Probiererle zu fragen, und wenden uns demütig den Desserts zu: gebrannte Tahiti-Vanillecreme mit marinierten Beeren und Tonkabohne, sowie Schokoladenfondant mit Grapefruit. Beides schmeckt lecker, meine Begleitung beschwört den noch warmen, noch flüssigen Schokoladenkern des Fondants, ich schwelge im marinierten Beerenkompott ….

Old sailors! Likedelers!
Kommt selber und schaut!

Tja, leider muss man bis April warten, aber dann werden mit Sicherheit wieder die Segel gehisst und man kann sich für ein Sundowner Dinner oder einen knusprigen Backfisch an Deck verabreden. Ahoi!


Adresse und Öffnungszeiten vom Restaurantschiff Gode Wind:

Gode Wind
Gustav-Holzmann-Straße 10
10317 Berlin

April-Oktober geöffnet:
Mi – Fr: 17.30 bis 22.00 Uhr
Sa – So: 12.00 bis 22.00 Uhr

Der Sous Chef vom Gode Wind: Henning Zappe

Fotos: Nadja von Prümmer

Bangkok City in Kreuzberg

Bangkok ist seit 1782 die Hauptstadt des Königreichs Thailand. Mit gut acht Millionen Einwohnern ist sie die größte Stadt des Landes. Der Tourismus ist das, was den Thais das Überleben sichert, und worauf sie am meisten stolz sind. Der Gast ist König, für ihn wird alles getan. Auch die eingeborenen Gäste haben sehr hohe Ansprüche. Wenn man sich dann, nachdem man dort in der Rooftop-Bar eines berühmten Hotels im Service gearbeitet hat, dennoch dafür entscheidet, weiterhin der Gastronomie treu zu bleiben und in Berlin im hochfrequentierten Ausgehviertel Mehringdamm/Kreuzberg ein eigenes Restaurant zu eröffnen, dann ist man wahrscheinlich so verliebt in seine Arbeit wie Sommart Büber.

Was macht das Restaurant Bangkok City aus?

Das Grundnahrungsmittel in Thailand ist Reis. Der thailändische Ausdruck „kin khao“ steht für „eine Mahlzeit einnehmen“ und bedeutet wörtlich „Reis essen“, unabhängig von der Art der Speise. Zum Glück ist Sommart Büber bekennender Genießer und lässt uns mit dem Reis nicht allein. Basierend auf der Thailändische Küche – chinesische, indische und europäische Einflüsse, im Laufe der Jahrhunderte zu einer großen Landesküche verschmolzen – setzt Büber in seinem Restaurant auf 70% traditionelle Gerichte und 30% eigene Interpretationen. Insgesamt ist die ganze Karte so gestaltet, dass Büber und sein Team sich mit jedem einzelnen Gericht identifizieren können. Das war Priorität.

Und: „Berlin-gerecht soll es sein!“. Das Thai-Sandwich vom Weekend Special z.B. entstand in Anlehnung an die ehemalige Lokalität im Mehringdamm 33, einem britischen Restaurant – Fusion Club-Sandwich mit thailändischer Erdnusssoße. Das Dessert Thai Pancake erinnert zumindest vom Namen her an Amerika, ist aber durch den besonderen Teig des Pancakes wiederum tatsächlich thailändisch.

Bangkok liegt nicht in Kreuzberg, das macht aber nichts.

Aber, beginnen wir doch von vorn – am besten mit der wohl leckersten Tom Kha Gai Kreuzbergs (Berlins? Berlins!). Heiß dampfend, frische Kräuter, herrlich würzig! Gerne ablöschen mit einem Thai Tee (karamellisierter Tee aus Thailand, klassisch mit Milch, für Veganer als milchfreie Variante) oder einem kühlen Singha Beer. Danach unbedingt den erfrischenden Papaya Salat bestellen: Schlangenbohnen (die werden bis zu 75cm lang!), Papaya-Julienne, Chili, Erdnuss und Knoblauch, das Ganze an außergewöhnlich erfrischendem Tamarinden-Saft – einer unserer absoluten Favoriten!

Die wohl leckerste Tom Kha Gai Kreuzbergs!
Papayasalat an einem sehr leckeren Tamarinden-Saft

 

Thai-Burger, Thai-Toast und Curry-Gerichte

Nachdem er mit sechs Jahren nach Deutschland gekommen war, verbrachte Sommart Büber als Kind sehr viel Zeit bei seinen deutschen Großeltern in West-Berlin. Sein Opa, ein preußischer Arzt alter Schule, brachte ihm früh bei, dass, „wenn man sitzt, der Rücken gerade ist und man beide Hände auf dem Tisch zu sehen hat!“. Und, Tatsache – beide Hände braucht man auch, um den Bangkok Burger kleinzukriegen. 100% Rindfleisch (wir hatten die Tofu-Variante), dazu die Wahl zwischen dreierlei Soßen (fein: die Mango-Honig-Soße).

 

Das Thai-Toast (Schwein oder Tofu) mit Kräutern und Sojasoße schmeckt uns gut, da fein gewürzt und knusprig. Der Dip dazu ist sehr erfrischend. Curry-Freunde haben die Wahl zwischen rotem, grünen und Massmann Curry, und dabei zwischen Rind, Schwein, Hühnchen, Ente, Tofu oder Garnelen. Unser grünes Curry mit Garnelen ist von angenehmer Schärfe. Das Gemüse ist ein wenig grob geschnitten, dafür sind die Garnelen groß und gut gebraten. Neu ist für uns Laab, thailändischer Hähnchensalat, der hier im Bangkok City mit geröstetem Klebreis, frischen Kräutern, Chili und Fischsoße serviert wird.

Der Thai Toast mit Fleisch…
… und als Veggie-Variante.
Das Grüne Curry – hier mit Garnelen

 

Dessert auf Thai

Unsere schon recht vollen Mägen ignorierend, wollen wir uns die Dessert-Optionen nicht entgehen lassen: während der Thai Pancake trotz vieler frischer Früchte recht mächtig und der Mango-Shake ein wenig blass daherkommen, trifft die Mango Creme Brulee genau ins Schwarze unseres süßen Zahns. Bitte, probieren!

Unbedingt probieren: Die Mango Creme Brulee
Für den größeren Dessert-Hunger: Der Thai Pancake

 

Auf jeden Fall noch erwähnenswert ist die Freundlichkeit des Personals, die weder Touristen-adaptiert noch aufgesetzt wirkt. Allen gemein scheint eine selbst bei größerem oder unerwarteten Ansturm sonnige Gelassenheit, ganz so als würde die Bedeutung von Bübers Vornamen ihre Wirkung zeigen: Sommart bedeutet in etwa „Anlehnung an die Sonne, positives Karma im Leben“.

 


Adresse und Öffnungszeiten vom Restaurant Bangkok City:

Restaurant Bangkok City
Mehringdamm 33
10961 Berlin

Mo-So: 12.00-22.00 Uhr

 

Fotos: Nadja von Prümmer

Restaurant Seaside – Nice to sea you!

Warum ich es wieder tun würde.

Manche Dinge sind so gut, dass man sie wirklich nur wiederholen kann. Hier meine Gründe, wieder ins Seaside zu gehen.

Das Essen. Das Essen im Seaside ist der eigentliche Grund für mich, wieder dorthin zu gehen. Insgeheim, und dies ist jetzt ein kleines Geständnis, werter Leser, insgeheim habe ich diese Phantasie, ja, stelle ich es mir tatsächlich so vor: das gesamte Restaurant ist auf meinen Namen gebucht, und zwar für einen Tag lang. Ich möchte Fisch-Schlaraffenland, und ich möchte es hier. In meiner Vorstellung packte ich mir ein gutes Buch, oder, noch besser, zwei drei gute Freunde ein, und gemeinsam schlemmten wir uns vorwärts und rückwärts durch die Karte.

Seafoodporn im Restaurant Seaside

Als echte Fischfans starteten wir den Tag mit einer feinen Hummersuppe und einem leichten Lachstartar, gerne begleitet von der Austern-Etagére, letztere allein schon fürs Auge. Nahtlos daran anknüpfend äßen wir Pulposalat mit getrockneten Tomaten, Fenchel und Chili, Süßkartoffelsalat mit Kürbiskernen und Ahornsirup und einen überraschend andersartig gewürzten Blattspinat. Kurz gäbe es den ersten Streit, und zwar in Anbetracht der unschuldig an frischem Blattsalat dargebotenen, auf den Punkt gebrachten gegrillten Jakobsmuscheln. Irgendwo hört die Freundschaft bekanntlich auf.

Da dämpfte nur der nächste Gang, Moules&Frites in Weißweinsud, die erhitzten Gemüter. Ungehemmt beugten wir uns über die dampfenden Schüsseln, Finger leckend, den Sud am Ende austrinkend. Nichts der Köstlichkeit verschwenden. Genießen, mit allen Sinnen.

In meiner Vorstellung folgten nun einige Stunden stimmungsvollen Verdauens, gefördert durch einige Gläser des hauseigenen Weines, auf den später nochmal gesondert eingegangen werden soll.

Hier sucht sich der Gast seinen Fisch noch selbst an der Theke aus

Eine Besonderheit des Seasides ist die Idee, dass der Gast den Fisch, der auf seinem Teller landen soll, an der zentral platzierten Fischtheke selbst auswählt. Hier wartet einen ein weites, frisches Feld: gute Bekannte namens Zander, Makrele, Kabeljau und Lachs, daneben aber auch neue Ideen in Form von Cobia und Schäpel. Kross gebratener Steinbutt, auf der Zunge zergehende Dorade. Ein Pulpo ist ein Pulpo ist ein Pulpo, und sollte auch nichts anderes sein. Hast du den Dip probiert? Nein? Buttermilch-Zitrone! Und nimm von dem Salz!

Selbst das Dessert im Restaurant Seaside ist unschlagbar gut

Und da Seafood ja leicht und bekömmlich ist, dürfte es auch was Süßes sein, bitteschön. Im Schlaraffenland ja sowieso. Und so zelebrierten wir die luftige weiße Mousse über gratiniertem Sorbet an frischen Früchten, staunten über die zarte Kruste der ansonsten ungemein seidigen Sanddorncreme, schwelgten in Mokkacreme mit Biskuit und Gewürzorangen, knusperten erstaunt an hauchdünnen Karamell-Scokoladen-Crisps… Das wäre ein schöner Tag.

Wein & Cremant von der Kelterei Manz

Die Getränke. Wie angekündigt, lohnt es sich, im Seaside in Punkto Getränke aufzuhorchen. Wein wird hier ernstgenommen. Es gibt nicht nur einen eigenen Hauswein, sondern auch hauseigenen Seaside Cremant. Mit den Winzern steht man in gutem Kontakt, Kelterei Manz aus Rhein-Hessen liefert die Haussorte. Übrigens wird ein Teil des Restaurants durch Deckenlampen aus Weinflaschen beleuchtet, welche auf dem Weg von der Idee bis zur Eröffnung des Restaurants quasi „eigenhändig“ geleert wurden:

„Wir servieren nur Dinge, die uns selbst schmecken.“

Das Seaside-Team und ihr Wunsch, Essen echt und unmittelbar auf den Teller zu bringen

Das Team. Zwei Cousins mit ihren Ehefrauen, die einen aus Berlin, die anderen beiden aus Budapest. Adrian und Denise Budack, Krisztian Soha und Zsuzsanna Toth. Vier Menschen, die nie etwas mit Gastro am Hut hatten, wohl aber eines gemeinsam: die Liebe am Seafood und die Lust, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen.

Schon früher hatten die Cousins ihre Sommerferien zusammen verbracht und sich damals schon für das Flair und die Stimmung an Hafen und Küstenstädten begeistert, für die Frische der Produkte, die Art und Weise, Essen unmittelbar und „echt“ auf den Teller zu bringen. Das wollten sie gerne nach Berlin bringen. Zusammen mit einem großen Team, in dem die Antwort auf die Frage „ Was ist euch wichtig?“ lautet „In erster Linie Spaß an der Arbeit.“.

Dieses Credo wird im souveränen Service deutlich, der freundlich und zugleich professionell ist, und auf angenehm ungekünstelte Art und Weise nahbar. Nicht nur die Frage nach guter Qualität und Herkunft des Essens kann bejaht werden. Auch der Umgang zwischen Personal und Chefetage gibt ein gutes Gefühl. Ich persönlich – und ich glaube, hier für den Großteil unserer Leser sprechen zu können – lege jedenfalls stark Wert darauf, dass nicht nur mein Essen, sondern auch die Person, die mir das Essen serviert, gut behandelt wird.

Fischmarkt-Gewusel und Rückzugssorte

Die Atmosphäre. „Lebhaft wollte ich es haben. Wie auf einem Fischmarkt eben.“ Adrians Wunsch wurde in die Tat umgesetzt. Leib und Seele durch gesunden Genuss zusammenhalten auf der einen, Spaß und gute Arbeit verbinden auf der anderen Seite, der hinterm Tresen. Spürbar ist: die Gäste fühlen sich wohl, erfreuen sich an der angeregten Stimmung. Essen verbindet, und so lässt man sich en passent vom Nebentisch inspirieren oder an der Fischtheke nach Wunsch beraten.

Und doch – manch einer kommt allein. Zieht sich zurück, mit Buch, Zeitung, Gedanken. Bestellt eine Platte Austern, genießt den Moment mit einem Glas Wein. Belohnt sich, beendet den Tag wohlverdient, und zwar in Ruhe. Dass dies möglich ist, liegt an der besonderen Gestaltung des Ladens. Das Licht und die Lautstärke variieren: im vorderen Teil des Restaurants herrscht reges Treiben, lebendiges Miteinander. Die Farben sind rauchige Blautöne, unaufgeregt und zugleich frisch. Im hinteren Bereich herrschen Cremetöne, es ist überraschend kuschlig und individuell. Hier sitzt man vornehmlich zu zweit oder eben alleine und genießt die feine, jedoch umso gemütlichere Zurückgezogenheit.


Adresse und Öffnungszeiten vom Restaurant Seaside:

Restaurant Seaside
Mohrenstraße 17
10117 Berlin

Fotos: Nadja von Prümmer

Die Fischtheke

Hakim hat in Rungis auf dem Fischmarkt gearbeitet, dem größten Umschlagplatz für Fisch weltweit. Davor war er in Marokko auf dem Fischmarkt. Und vor 60 Jahren haben seine Großonkel auf Fischmärkten gearbeitet. Fisch-affin ist Hakim also nicht von ungefähr.

Nun also Berlin-Neukölln, Flughafenstraße, gleich nach den Neukölln-Arkaden. Die Fischtheke leuchtet einladend blau im abendlichen Novemberdunkel. Es ist nass und kalt und feucht, drinnen ist es trocken und auch ein bisschen kalt, aber das ist gut so, der Fisch soll´s nicht warm haben.

Die Fischtheke: Fisch und Seafood so weit das Auge reicht.

„Dorade geht viel“, ruft Hakim, „aber auch Thunfisch und Garnelen. Und die Muscheln. Und Fish&Chips, mit unserer eignen Tartar-Sauce!“ Es ist einiges los. Neben Vater und Sohn, die sich die Fischplatte für zwei Personen schmecken lassen, gehen etliche Garnelenpakete und eine Fischsuppe nach der anderen über den Tresen. Passt ja auch, is kalt. „Möchtest du eine heiße Fischsuppe trinken, mein Freund?“ Deliveroo- und Lieferando-Fahrer wärmen sich an ihr die Hände, während sie auf ihre Bestellungen warten.

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Hungrige beugen sich an den kleinen Holztischen über den dampfenden Pott. Wir salzen nach. Dann müssen wir uns entscheiden: Wolfsbarsch, Schwertfisch, Goldbrasse oder Tilapia? Steinbutt, Zander, Sardellen oder Miesmuscheln?

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Eine Besonderheit sind die Fisch-Sandwiches, z.B. mit Sardellen. Das ist ungewöhnlich und kommt gut an, versichert Hakim. Er steht abwechselnd vor und hinter der Theke, mischt sich unter sein kleines Team oder schnackt mit den Gästen. Mit vielen ist er per du. Französisch oder Deutsch, egal. „Dreimal täglich ess ich Fisch! Mindestens! Omega3 satt!“ grinst Hakim.

Die Fischplatte kommt. Gebratene Tintenfischringe und Sardinen kommen mit drei verschiedenen Saucen, leckeres Pesto, frisch vor unseren Augen zubereitet. Saaalz. Wunderschöne kleine Pulpo neben Miesmuscheln, deren leicht säuerliche Zubereitungsart ungewöhnlich ist. Solide. Eine solide Fischplatte. Mit wenig Salz.

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Vorn an der Theke herrscht reger Einkaufsverkehr, die Leute füllen ihre Einkaufskörbe mit frischem Fisch. Auch wir überlegen, dass es vielleicht ne bessere Idee ist, den Fisch hier zu kaufen und daheim zuzubereiten. Oder im Sommer wiederzukommen, wenn´s wärmer ist. Und mit extra Salz.


Adresse und Öffnungszeiten von der Fischtheke:

Fischtheke
Flughafenstraße 35
12053 Berlin

Mo-Sa: 12.00-22.00 Uhr

 

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Fotos: Nadja von Prümmer

UMAMI II in Kreuzberg

„Jeder kann eine asiatische Mami haben!“ heißt es beim UMAMI.. Auch ich kann eine asiatische Mami haben? Verheißungsvoll…ich probiere es aus. Am Muttertag noch dazu, haha, wie passend.

Das UMAMI II in Kreuzberg

Das UMAMI X-Berg in der Bergmannstraße, meine Begleitung und ich retten uns aus den Menschenmengen in das angenehme, leicht dunkle Ambiente des UMAMIs. Die natürliche Freundlichkeit der Bedienung fällt auf, angenehm.

Die Karte verheißt „gesunde Kost ohne Zusatzstoffe und Glutamat“. Gut, gesund ist nicht verkehrt. Was dann aber an den Nebentischen zu erblicken ist, sieht dermaßen lecker aus, dass uns plötzlich völlig egal ist, ob gesund oder nicht.

Los! Zur Vorspeise ordern wir wild. Tempeh-Streifen auf Süßkartoffelreibekuchen mit Sojachilidipp (Saigon Pancake) und scharf angebratene Großgarnelen mit Fisch-Ingwervinaigrette (Ho Tay´s Pancake) lassen uns erste wohlige Seufzer entfahren. Diese Sößchen..!

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Als ein Special von der Wochenkarte gönnen wir uns die Baby Dragons. Das sind knackige Garnelen im Kokosmantel auf einem Reiscracker, der mit einer sagenhaften Avocadocreme bestrichen ist (der Cracker bleibt dennoch kross!), und diese Garnelen dippen wir dann in diesen wirklich außergewöhnlichen Dipp aus Kumquat. Weitere Seufzer… Die Seufzer verklingen zu ehrfurchtsvollem Schweigen, als die gegrillten Jakobsmuscheln kommen. Sie erwarten uns gebettet auf hübschen Löffeln in einer Reduktion aus Wasabi und Sojahonig mit Ingwer-Julienne und Koriander(der Name trifft es auf den Punkt: Pearl on Spoon). Stille breitet sich aus. Wir müssen nicht reden. Wir wollen nur noch genießen.

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Next! Um weitermachen zu können – denn die Vorspeisen sind von angenehmer Größe, bei kleinem Hunger wären bereits sie durchaus ausreichend – konzentrieren wir uns einen Augenblick auf die dargebotenen Getränke: äußerst erfrischend der Coriander Mule – Limettensaft und Ingwerlimonade mit frischen Koriander, frischem Ingwer und Eis. Fruchtig-sämig fließt der aus frischen Erdbeeren zubereitete, mit Basilikum und Litschi abgerundete Cocktail Morgenrot, für süße Kehlen sorgt der fast schon obligatorische vietnamesische Kaffee, bei den Temperaturen in der eisgekühlten Variante zu haben unter dem verwegenen Titel: „Highland Refresher“.

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Wir würden ja gerne verweilen, doch das Leben ist kein Ponyhof, der Hauptgang wird serviert. Wer Lust auf noch mehr Garnelen hat, bestelle sich bitte (bitte!!) die BBQ Prawn: gegrillte Großgarnelen am Spieß, in Honigmarinade, auf einem Bett bissfest sautierter Gemüse, u.a. Cherrytomaten, Zuckererbsenschoten, Babymais und Edamame. Von der Seite duftet ein Berg Süßkartoffelstäbchen. Achtung: die BBQ-Soße hat höchstes Suchtpotenzial! Wollte es nur erwähnt haben!

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Meine Begleitung ist voll konzentriert auf ihren Buddha Burger, der den Namen zurecht träg: dick belegt mit Seitanstreifen thront das belegte Bao-Brötchen auf dem Teller, als hätte es geradezu auf unsere Begeisterung gewartet, die wir angesichts des Mango-Coleslaws und des Kimchi mit Mangokokoscreme an den Tag legen. Die Kombinationen sind wohlüberlegt, fein, überraschend. Der Gaumen jauchzt! Der Bauch ist voll, aber wir wollten es ja nicht anders!

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Das UMAMI & die Familie

In einem kleinen Päuschen vor dem Nachtisch erzählt uns Dikju Bui von sich und seinem Geschäftspartner, Binh Van Pham. Letzterer ist einer von vier Brüdern, alle sind sie Cousins von Dikju. Gemeinsam betreiben sie die UMAMI Filialen in Berlin.

„Familie ist, was zählt“,

sagt Dikju. Eigentlich hat er Design studiert, und das ist auch sein Hauptberuf – was, wenn man sich umschaut im Restaurant, in jedem kleinen Detail zum Ausdruck kommt. Sein Hang zur Ästhetik geht soweit, dass ich die Damentoilette eigentlich gar nicht mehr verlassen möchte, so wunderschön ist sie gestaltet. Bananenstauden, Hibiskus, Kerzen, Räucherstäbchen. Sogar die Decke ist einem Wellblechdach nachempfunden, so, wie es auch in Vietnam zu erwarten wäre.

Es gibt einen Loungebereich, leicht erhöht und mit Teppich ausgekleidet. Die Schuhe werden ausgezogen, bevor man sich an niedrigen Holztischen zu Rose on the Water (Rosenknospen auf Sencha-Teeblättern) oder einem White white East (Longan- und Litschifrucht, Kokosmilch, Holunder) niederlässt. Ideal auch für Familien mit Kindern, wie Dikju uns erklärt. Über allem liegen die dezenten Klänge alter, vietnamesischer Weisen. Die Musik aus den 50ern stammt von alten Schallplatten aus Dikjus Familie.

„Indochina ist Fusion! Unsere Küche ist nicht einfach Vietnamesisch, sie ist Fusion: Laos, Kambodscha, Vietnam, Frankreich – wir lassen uns inspirieren und kombinieren Alt mit Neu.“ Hier sei auch ein Hinweis für alle Superfood-Fans gegeben, denn das UMAMI hat von Ingwer, Matcha, Goji über Aloe Vera bis Akazienhonig so einiges im Repertoire.

Letzter Gang: Das Dessert

Finale. Angesichts der Strecke, die hinter uns liegt, teilen wir uns ein Green Piece. Das Matcha-Grüntee-Törtchen mit Mandelcreme, Heidelbeerentopping und Biscuit prodzziert den einzigen Wermutstropfen an diesem Nachmittag: es ist dermaßen fein gemacht und so außergewöhnlich lecker, dass wir richtig traurig sind, es nicht als Bestandteil der Dauerkarte im UMAMI zu wissen.

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Was ist das Besondere am UMAMI?

Wir fühlen uns wohl. Wir essen sehr gut und ausreichend. Es gibt Neues zu probieren, aber auch Gerichte, die nicht ganz so experimentierfreudigen Kandidaten munden. Das Auge isst mit, die Atmosphäre wirkt echt, unprätentiös. Es gibt was zu entdecken, man schaut sich gerne um. Der große Wert liegt in der Liebe zum Detail: schön gestaltete Speisen aus frischen, auf den Punkt zubereiteten Zutaten, überlegt zusammengestellte Kombinationen zu wirklich fairen Preisen. Hier komme ich wieder hin, allein, zu zweit, als Gruppe, in familia.

Das Motto mit der Mami klingt erst mal nach gutem Story Telling. UMAMI, das ist doch der 5.Geschmack, richtig? Richtig.

Dikju Bui verabschiedet sich. Er muss los – ist doch Muttertag! Er isst heute „UMAMI“. Denn UMAMI heißt auf Vietnamesisch „bei Mami“.


Fall euch Kreuzberg zu weit weg ist: Es gibt auch ein UMAMI in Prenzlauer Berg ;)

Adresse und Öffnungszeiten vom UMAMI X-Berg:

Umami X-Berg
Bergmannstraße 97
10961 Berlin

Mo-So: 12.00-24.00 Uhr

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Fotos: Nadja von Prümmer